O Heiland, reiß die Himmel auf

Nov 28, 2020 | Wort zum Sonntag | 0 Kommentare

Geschrieben von Tomas Kaupeny

28. November 2020

 

 

Wort zum Sonntag

Zum Geleit

 

Grüß Euch Gott, meine Lieben!                                                  

Kaum zu glauben, die erste Kerze auf dem Kranz ist angezündet und leuchtet in der Dunkelheit. Ich erinnere mich im Kerzenschein an die vielen vor uns und ihre Erzählungen, wie gerade in schwerer Zeit der Hungersnot, in Krieg, Flucht, Krankheit und Tod dieses Lichterl Menschen um sich versammelt und die Hoffnung neu entfacht hat – wie sein milder Schein und die altvertrauten Lieder das Herz erwärmt, getröstet und ermutigt haben. So möge es uns allen geschehen, auch in diesem von Corona und vielerlei Sorgen überschatteten Advent. Ein kleines Mutmacher-Wort dazu:

Diese Woche musste ich mich einem Antigen-Schnelltest unterziehen. Also, rein in die Apotheke. Die junge Apothekerin begrüßt mich ausgesprochen zuvorkommend.

„Für wann haben Sie denn den Termin?“ fragt sie.

„Ich hab leider keinen Termin.“

„Sie müssen sich übers Internet anmelden!“ mahnt sie.

„Ich hab aber kein Internet.“

„Macht nix, dann übers Handy.“

„Ich hab aber kein Handy.“ – –

Verwundert mustert sie mich von oben bis unten. War´s der Wintermantel, der weiße Bart, das tief in die Stirn gezogen, über beide Ohren geklappte Russenkappl, oder der übervolle Rucksack – mitleidig flüstert sie: „Ich mach da jetzt eine Ausnahme für Sie!“

Dann telefoniert sie leise mit dem Kollegen, der den Test abnimmt. Dreißig Minuten später marschiere ich weiter, – Gott sei Dank, alles in Ordnung!

Die Wartezeit hab ich im Park gleich nebenan genützt, um dort in der Kälte, wie ein Zirkuspony im Kreis trabend, für dieses Entgegenkommen – und für so viel Entgegenkommen, das ich erlebe – innig `Vergelt´s Gott´ zu sagen.

 

 

Eine Melodie zur Einstimmung

Yankelle, Giora Feidman

Schriftliche Predigt von Tomas

zum 1. Adventsonntag

Aber in jenen Tagen nach der großen Not…

 Das Begräbnis ist vorüber. Die Trauergäste haben sich verflüchtigt. Er wusste, jetzt beginnt die ganz schwere Zeit. Vorher hatte man immer noch ständig irgendwas zu erledigen. Nun lastet die unheimliche Einsamkeit schwer auf seinem Herzen…

„Die Operation am offenen Herzen ist leidlich gut gegangen“, sagt der Operateur, der tags drauf kurz noch einmal seine Patientin aufgesucht hat: „trotz Komplikationen, 8 Stunden hat´s gedauert.“ Jetzt beginnt die schwere Zeit des Verzichts auf so viel Liebgewonnenes, die Zeit der quälenden Langsamkeit, das weiß sie. Aber es ist die einzige Möglichkeit. Nicht nur im Fleisch, in der gesamten Lebensführung braucht´s einen klaren Schnitt. Sie wird´s versuchen… 

Die Scheidungsverhandlung war grauenhaft. Gegenseitige Fehlerauflistung, Anklagen und Schuldzuweisung. Am Schluss wollte sie nur mehr, dass es endlich vorüber ist. Und zu Mittag muss sie´s den Kindern sagen. Die Angst schnürt ihr die Kehle zu. Und dann muss sie´s ihren Eltern sagen. Aber eigentlich ist er doch so ein lieber… werden sie antworten. Ja, ja, bla bla bla: Eigentlich müsste man, aber könnte man eigentlich nicht doch eventuell…? Ja, ja – ihr Oberg´scheiten – eigentlich hatte sie sich ihr Leben anders vorgestellt… 

Achselzuckend hat der Chef die Kündigung ausgesprochen. Nach so vielen Dienstjahren gehört er tatsächlich zu den 30 betroffenen Mitarbeitern. Ja freilich, man hatte gemutmaßt und gemunkelt, – nun aber ist es ernst. Es ist wirklich so weit. Und – was jetzt? Wie weiter tun? Fragen über Fragen.

Evangelium am 1.Sonntag im Advent

 

Mk 13,24-37

Jesus sprach zu seinen Jüngern:
In jenen Tagen, nach der großen Not,
wird sich die Sonne verfinstern,
und der Mond wird nicht mehr scheinen;
die Sterne werden vom Himmel fallen,
und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.

Himmel und Erde werden vergehen,
aber meine Worte werden nicht vergehen.
Doch jenen Tag und jene Stunde kennt niemand,
auch nicht die Engel im Himmel,
nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater.
Seht euch also vor, und bleibt wach!
Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist.

…Es ist wie mit einem Mann,
der sein Haus verließ, um auf Reisen zu gehen:
Er übertrug alle Verantwortung seinen Dienern,
jedem eine bestimmte Aufgabe;
dem Türhüter befahl er, wachsam zu sein.
Seid also wachsam!
Denn ihr wisst nicht, wann der Hausherr kommt,
ob am Abend oder um Mitternacht,
ob beim Hahnenschrei oder erst am Morgen.
Er soll euch, wenn er plötzlich kommt, nicht schlafend antreffen.

Was ich aber euch sage, das sage ich allen:
Seid wachsam!

…wird sich die Sonne verfinstern, der Mond wird nicht mehr scheinen, die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte des Himmels werden erschüttert…

 Viele Schulstunden hab ich nach einem Blick aus dem Fenster plus launigem Kommentar meinerseits mit der Frage begonnen: `Na, und, was meldet Dein innerer Wetterbericht heute?´. Jedem Klassenmitglied war es freigestellt, die Antwort schriftlich, graphisch oder mündlich zu gestalten – und ob man dann was erklären will dazu. Von `Heiter, sonnig bei lebhaftem Wind´, über `Bewölkt regnerisch´ oder `Heftige Gewitter mit Sturmböen bis zu 90 Km/h´, Hagel, Starknebel, Graupelschauer oder dichter Schneefall, Glatteiswarnung genauso wie Tropenhitze und und und… Alles ist möglich. Meist hab ich aber darüber gestaunt, wie oft die drohende Gewitterstimmung in den unterschiedlichsten Bildern oder Worten, – oft auch mit Zusatzkommentar geschildert wurde: Krach mit den Eltern, Geschwistern, Lehrern oder Betreuern, Klassenkameraden, Freund oder Freundin kam am häufigsten zur Sprache.

Dann haben wir verdunkelt, ein Kerzerl entzündet und ich lade die Schüler ein: was auch geschieht, wenn´s eng, wenn´s düster, wenn´s dunkel und heftig wird: `Mach ein kleines Gebet draus. In aller Stille. Ein Blick nach oben und nach innen: die Kräfte des Himmels sind erschüttert: Vertrauen, Frohsinn, Zuversicht, Erfindergeist, Entdeckungsfreude warten in Dir auf Befreiung. Dass das Herz immer wieder aufgeht. Und Du – statt bloß Trübsal zu blasen – wieder offen bist für das, was entgegenkommt. Achte auf die Zeichen!´

Er wird die Auserwählten aus allen vier Windrichtungen zusammenführen…

 Gerti, eine ältere Dame, wirbelsäulenbedingt schwer gehbehindert und viel allein. Erhard, der im selben Bau wohnt, unterstützt sie und hilft, wann und wo er nur kann. Und Michi – ein junger Mann, sucht lange schon nach einem für ihn geeigneten Arbeitsplatz. In der Kirche lernen sie sich kennen. Michi besucht Gerti, Gerti kocht für Michi. Michi und Gerti tanzen miteinander, lachen viel. Michi schöpft dankbar aus dem Reichtum ihrer achtzigjährigen Lebenserfahrung. Gerti genießt seine herzerfrischende Lebendigkeit. Mittlerweile hat Michi eine Anstellung als Kindergartenhelfer und ist glücklich damit. Erst zwei, dann drei Auserwählte, zusammengeführt. 

Olga übernimmt auf das Zutrauen ihrer Herzensfreundin hin kurz entschlossen die unter einem Auto kauernde, ausgesetzte Katze. Der Kater dankt es ihr mit überschwänglich tiefer Zuneigung und seinen Späßen. Und auf einmal gerät in Olgas angestrengtem Leben so viel in Bewegung. Drei Auserwählte. 

Der verwahrlost verwilderte Garten in der Mentergasse hat sich in eine blühende Grünoase mitten in der Großstadt verwandelt. Ernstl, Mike, Hanni und Patrick haben sich abwechselnd und gemeinsam in besonderer Weise seiner angenommen. Gießen, Rasen mähen, Wurzeln und Steine ausgraben, Blumen und Sträucher setzen, Unkraut jäten, Baumschnitt, Blätter rechen,… Verschwitzt und erschöpft, aber selig kommen sie zurück. Vier Auserwählte.

Lernt aus dem Vergleich mit dem Feigenbaum 

Als vielleicht siebenjähriger Bub kam mir im unbändigen Forscherdrang die Idee, die Barbarazweigerln einmal genauer unter die Lupe zu nehmen – wie das denn so funktioniert mit den Knospen und den Blüten… Enttäuscht steckte ich schon nach kurzer Zeit die Zweige mit den zerrupften Knospen in die Vase zurück. Am nächsten Morgen waren dann nur mehr verdorrt struppige Borsten an den Zweigen zu sehen…

Im selben Jahr meinte ich, als angehender Tierarzt sei es meine heilige Pflicht, den Winterschlaf der Schildkröte Hannibal zu kontrollieren. Ich öffnete die mit Torfmull angefüllte Schuhschachtel, sie stand oben am zugigen Klofenster – grub das Tier aus, und versuchte, ihm mit allen Mitteln ein Lebenszeichen zu entlocken. Klopfen, Wasser, Wärme, Kitzeln, … Erst als Hannibal eindeutig ein Vorderbein (im Rückzug) bewegt hat, war ich zufrieden.

Im darauffolgenden Frühling wachte das arme Tier leider nicht mehr auf. Nur ich allein ahnte bestürzt den Grund.

 Auf vielen Wegen, Umwegen und auch Irrwegen begann ich nach und nach die Weisung zu verstehen: dass man nämlich im Leben nichts, aber auch schon gar nichts erzwingen kann: alles ist Botschaft – und alles hat seine Zeit. Dem horchenden Herzen spricht sich dann und wann, da und dort ein Wort zu. Dem aufmerksamen Herzensblick leuchten die kleinen Alltagslichtln den Weg.

 Die Zeit ist Gottes Geduld mit uns. Wir alle miteinander brauchen viel Geduld füreinand´. Am meisten Geduld aber brauchst Du mit Dir selber.

Advent – Zeit der Vorbereitung, der Besinnung auf das Wesentliche, der Vorfreude. Denn: wir alle wissen ja, es gibt kaum eine größere Freude, als einem anderen eine kleine Freude zu bereiten.

Liebe Kinder! Könnt Ihr mir bitte helfen, für die Kranken und Einsamen Briefkuverts mit adventlich-weihnachtlichen Motiven Eurer Wahl zu verzieren. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Ins Kuvert rein kommt dann mein heuriges Weihnachtshefterl.

Allen Jugendlichen danke ich jetzt schon, dass Ihr unter den gegebenen Umständen trotzdem Eure großangelegte Weihnachts-Besuchsaktion startet. Wie ich höre, heuer in Form eines Billets mit persönlichen Worten von Dir: eine Erlebnisschilderung, eine Geschichte, oder Deine eigenen Gedanken zur Weihnacht. Auf diesem Weg werdet Ihr ein starkes Zeichen der Zuneigung und Verbundenheit setzen gegen die Einsamkeit.

Und Euch allen darf ich schlussendlich die Bitte der Gefängnisseelsorge um Kalender für die Insassen neu ans Herz legen. Im Vorjahr konnten wir wieder über 3000 Stück übergeben. Und kein einziger Kalender ist übrig geblieben…

  

In diesem Sinn wünsch ich Euch allen einen reich gesegneten Advent

Von Herz zu Herz

 

Euer Tomas