InnenZeit
Das wöchentliche CoronEssay von Christian Wetschka
Die Würde des Gartens und der Menschen, Teil 1

Geschrieben von Christian Wetschka
(m)EINBLICK – CWs Kolumne
Von Helden und Opfern
InnenZeit Das wöchentliche CoronEssay von Christian Wetschka(m)EINBLICK – CWs KolumneEine Zeit, die im Vorübergehen so leicht und zahlreich Helden und Heldinnen produziert, schafft auch zahllose Opfer, nur bleiben die Opfer meist unsichtbar. Während die Helden und...
Die Leere (Lehre) des Petersplatzes
InnenZeit Das wöchentliche CoronEssay von Christian Wetschka(m)EINBLICK – CWs KolumneÜber viele der Zeichen, die Papst Franziskus in diesen Tagen gesetzt hat, wird noch lange nachzudenken sein. Die Segensgeste, die er mit der erhobenen Monstranz auf den leeren...
Unterwegs nach Galiläa
InnenZeit Das wöchentliche CoronEssay von Christian Wetschka(m)EINBLICK – CWs Kolumne„Und sie gingen hinaus und durchzogen die Märkte, verkündigten die Frohe Botschaft und machten gesund an allen Enden.“ (Lk 9,6). Jesus hatte keine eigene Kirche, keinen Platz, auf dem...





Ich befragte damals Otti Neuwirth, unseren langjährigen und hocherfahrenen Gärtnerfreund aus der Caritasgemeinde. Andere hätten mir vielleicht von diesem „Projekt“ abgeraten. Otti aber kann gar nicht anders als Zuversicht ausstrahlen. Bei einem Rundgang durch den Garten, erklärte er mir die ersten Schritte, und ein paar Tage später, exakt am 17. April 2012, war unser erster „Gartentag“. Ich lud eine Gruppe von Menschen aus der Caritasgemeinde ein, einen Tag mit mir im Garten zu arbeiten. Diese Gruppe der ersten Gartenarbeiter steht mir bis heute leuchtend vor Augen: Gabi aus der Alkoholiker-WG Wilhelmstraße, unser polnischer Musikus Edward (damals noch auf der Straße lebend), der rumänische Theologe Konstantin Bukva (der bald darauf verstarb), der treue und stets hilfsbereite Wolfgang Ungersböck aus Meidling (auch er ein ehemaliger Obdachloser), die ungarische Roma-Geigerin Natascha, unser Allrounder Robert aus dem Zillertal, der Salzburger Bäcker Markus, natürlich Gärtner Otti Neuwirth und meine Wenigkeit. Ich „bewaffnete“ alle mit Schaufeln und Harken – mit dem Auftrag das „Unkraut“ im ganzen Garten zu entfernen. Auf der Hausmauerseite fingen sie in einer Reihe an und arbeiteten sich bis zum anderen Ende durch. Einige Stunden später streuten wir schon den Grassamen in die gelockerte Erde. Weil wir keine Walze hatten, legten wir Holzbretter auf den Boden und setzten unser Körpergewicht ein, um den Samen in die Erde zu planieren. Robert, Otti und ich gruben nebenher Bäume und Sträucher aus, die im Weg standen. Markus bemalte im Hof die alten Absperr- Gitter aus der Kirche, die wir zur Dekoration verwenden wollten (sie sind bis heute als Klematis-Lebensraum oder als Wurfgitter in Verwendung). Es war ein beeindruckender und zugleich berührender Auftakt, denn diese bunte Mischung von Menschen, von denen die meisten kein eigenes Zuhause hatten, aber auch ihre Freude an diesem Aufbruch, offenbarte, worum es in diesem neuen „Projekt“ gehen sollte: der Garten würde uns helfen, dem Leben näher zu sein – und uns selber.





Von links nach rechts: Gärtner Otti Neuwirth, Erster Gartentag 2012, Alfred setzt die ersten Buchsbäume ein (2011) Konstantin Bukva aus Rumänien, Markus streicht die Deko-Gitter
Die ersten neuen Sträucher pflanzte Karl Heinisch ein und prägte mit dieser Entscheidung das Gesamtbild bis heute. Mit der Erfahrung des Gärtners – damals noch in der Stadtgärtnerei in Baden– wählte er die Lorbeerkirsche „Prunus“. Diese Pflanzen sind „dankbar“, wie man sagt, und gedeihen bei allen Licht-und Schatten-Verhältnissen und schenken im Mai und April weiße Blütenkerzen.
Mike und Gerti haben einige Saisonen hindurch unzählige Stunden im Garten gearbeitet. Gerti kam zu uns, als ihr Bruder Walter verstorben war. Wir hatten uns beim Begräbnis kennengelernt. Sie war so verloren am Grab und litt sichtlich an diesem Verlust. Ich lud sie ein in die Mentergasse. Schnell wurde sie zu einer wunderbaren Mitarbeiterin, die für uns putzte, bügelte, bastelte und unsere Hausgemeinschaft lebendiger werden ließ. Sie selbst sagt seither immer wieder, dass sie bei uns eine neue Familie gefunden hat. Noch jetzt vor einem Jahr ist sie im Frühjahr am Boden gekniet und hat eine Fülle neuer Pflanzen auf der Parkseite gepflanzt. Im Juni musste sie mit Schmerzen ins Krankenhaus, seither ist sie auf die Gehhilfe angewiesen und kann nicht mehr im Garten arbeiten. Beide, Mike und Gerti, sind in den letzten Monaten ins Seniorenwohnhaus übersiedelt, das sie nun 6 Wochen nicht verlassen durften. Bei unseren Telefonaten fragen sie immer wieder nach, wie es dem Garten gehe und welche Arbeiten wir gerade machten.





Mit dabei war damals natürlich Michi Dötsch aus der WG Wilhelmstraße, ein Mann mit den sprichwörtlichen „goldenen Händen“, der nahezu alles reparieren und bauen konnte. Wann immer es seine Psyche es zuließ, kam er in die Mentergasse und tat, was immer zu tun war. Dafür hatte er sogar ein Arbeitsbuch angelegt, in das ich eintragen sollte, was zu tun war. Im Garten baute er Ablagen, hing Blumenkisteln auf, half beim Baumschneiden, beim Zeltaufstellen. Die alte Gartenhütte wollte er zu einer Werkstatt verbessern. So legte er im Rahmen des Wegebaus auch ein Stromkabel unter den Weg, um irgendwann ein Licht in der Hütte zu montieren. Dazu kam es leider nicht mehr. Eine plötzlich hereinbrechende Krebskrankheit mit komplizierten Operationen streckte ihn kurz nach seinem 50. Geburtstag nieder. Voriges Jahr habe ich ihn am Zentralfriedhof in einem einfachen Grab eingesegnet. Ich habe mir vorgenommen, dass wir ihm heuer noch ein würdiges Kreuz an seinem Grab aufstellen. Michi geht uns sehr ab. Nicht nur wegen seiner Fähigkeiten und seiner Hilfsbereitschaft, sondern vor allem wegen seiner erfrischenden Freundlichkeit.




Maciej ist vor drei Jahren an einer Leberzirrhose verstorben. Dariusz hatte im Jänner einen Schlaganfall und kann seine linke Hand nicht mehr bewegen. Die Renovierung der Sitzgarnitur wird er nicht mehr vollenden können. Aber er besucht uns gerne im Garten, und wir sitzen an jenem Tisch, den er vor einem Jahr noch renovieren konnte.
„Es war ein wirklich schöner Nachmittag heute!“ sagte er, bevor er letzten Donnerstag nach Hause ging, und das heißt viel in seiner Situation.


Was Dich noch interessieren könnte
Predigt vom 4. 7. 2021
"Es gibt im Menschen den Hang zur Philosophie des "nichts anderes als...Der ganze Mensch is nix anderes als...". Tomas lädt ein zum Nachdenken über die Versuchung der Abwertung des Anderen und zur Wertschätzung des Lebendigen. (m)EINBLICK – CWs KolumneWas Dich noch...
PROPHETEN-LOS ?
Bibelrunde14. Sonntag im Jahreskreis Halleluja. Halleluja. Der Geist des Herrn ruht auf mir. Der Herr hat mich gesandt, den Armen die frohe Botschaft zu bringen. Halleluja.Eindrucksvoll, wie dieser Vers aus dem Psalm 123 – als „Antwortpsalm“ zwischen den Lesungen –...